Unglaublich!
Während Samstag und Pfingstsonntag die Welt unterging, während Hagel-, Schnee- und Staubstürme halb Deutschland verwüsteten, haben die Vorkehrungen unserer göttlichen Elke und Bettina Petrus dazu veranlasst, den ganzen Pfingstmontag von morgens bis abends die Sonne vom Himmel auf Ahrensburg brennen zu lassen.
Ihrem eigenen Zauber haben die beiden Mädels aber selber nicht getraut, denn sie haben auf dem Fahrrad nach Leipzig Geburtstag gefeiert, anstatt daß sie dem alljährlichen Ahrensburger Bietschkuddlmuddl auch dieses Mal wieder beiwohnen. Sie wurden sehr vermisst!
Die Organisation vor Ort haben sich daher unser treuer Bietschwart Bernd geteilt mit Jens, der schon weit vor elf Uhr mit diversen Zetteln jonglierte, auf denen die Mädels minutiös den Ablauf des Turniers beschrieben haben. Jens verstand bloß nicht welches Seite 1 und welches die letzte Seite war und die Seiten dazwischen die haben diverse Kollegen immer mal wieder aus der Nähe des Grills abgefangen und zurückgebracht zum Mismanagementtisch.
Professionell wurden die Plätze geharkt, die aber gleich wieder umgegraben wurden, weil Bernd seinen Autoschlüssel verloren hatte. Auch die Platzbegrenzungen wurden stundenlang entknotet, bis sie endlich auch flach auf dem Sand ausgebreitet waren. Bernd guckte noch mal nach, ob sein Schlüsseletui vielleicht doch unter einem der blauen Begrenzungen lag.
Um 11 Uhr war dann der erste große Auftritt von Jens. Er las vor den 30 Mitspielern und tausenden von Zaungästen vor, wer in welcher Mannschaft spielen soll, wer wann wo auftreten durfte denn es gab Mannschaften 1 bis 10 und Plätze 1 und 2 und Gruppen A und B und es mussten von den Nichtspielteams auch noch Schiris antreten und als er fertig war rannten alle durcheinander und jeder fragten jeden, wer was warum verstanden hatte.
Wegen desallgemeinen Ahrensburger Intelligenzquotienten leicht unterhalb des Meeresspiegels (bevor er wegen Dirty D. Trump kurz DDT noch mehr steigt) klappte es doch nach gefühlten 66 Minuten, daß auf den Plätzen der Spielbetrieb begann. Die Schiedsrichter saßen Rücken an Rücken und obwohl es praktische Holztafeln gab, auf denen die Zwischenergebnisse mit schwergängigen Klemmen angezeigt wurde, gab es einige Referees, die die Ergebnisse auch noch ansagten. Man wusste also nie, wie der Spielstand auf welchem Spielfeld wirklich war, denn die Ergebnisse aus dem anderen Spiel waren immer andere, als die Punktstände im eigenen Fight. Dazwischen suchte Bernd immer noch sein Schlüsselbund.
Trotzdem wurde hervorragend gekämpft. Andrea mit seiner stark ausgeprägten Bauchmuskulatur vollbrachte wahre Känguru Sprünge ohne Rücksicht auf Mitspieler, die Bernd spät abends wieder ausgraben musste, die Spielinvaliden Ulli und Ingo, die gar nicht gemeldet waren und laut Arzt auch nur auf ihren Rollatoren zum Helgolandring hätten schlurfen dürfen, zeigten plötzlich eine unglaubliche Sprungkraft am Netz, sie machten nach jedem Punktgewinn doppelte Salti und gewannen schnell die Herzen aller Mitspielerinnen.
Bemerkenswert war auch die hohe Beteiligung der Spieler aus dem Wahnsinn siegt Team – sie repräsentierten fast ein Drittel aller Spieler – man erkannte sie leicht an der unberechenbaren Spielweise, am ewigen Unverständnis, warum der Ball aus dem gegnerischen Feld immer wieder zurück kam, am Jubel an der falschen Stelle und am ständigen Kopfschütteln, um endliche den blöden Sand wieder aus den Ohren, Haaren, Zähnen und aus der Nase zu bekommen. Ihr Berater für religiöse Angelegenheiten war wirklich stolz auf diese herausragenden Vertreter einer neuen ATSV Generation. Das sind die Präsidenten von morgen!
Matthias machte in einer seiner zahllosen Spielpausen bemerkenswerte Erfahrungen mit einer neuen Campingliege, die ihm Kopfstand aus der Rückenlage beibrachte. Matthias war dann lange Zeit sehr schwindelig, was man aber seinem Spiel aber nicht anmerkte. So spielte er schon immer!
Unter den Stühlen, Sonnenliegen, Tischen und Liegedecken suchte Bernd immer noch sein Schlüsselbund. Viele halfen ihm dabei, schauten in die Hosentaschen der Nachbarn, Knut bekam eine gescheuert, weil er noch woanders suchte, aber er tat es ja für seinen Bernd!
Bernd kümmerte sich indessen um den Grill und bald waberten köstliche Düfte durch die Schloßstadt, dass Hunde ihren Besitzern davonliefen um vor Bernd mit großen Augen zu warten, ob er vielleicht was für sie übrig hätte. Da er aber genügend Fleisch und Würstchen bereit hatte, wurden die Hunde verschont, denn das Fell riecht ja auch kurzweilig etwas eigen, wenn so ein Tier angebraten wird. Auch ein Sternekoch kam hinzu, um Bernd bei der Grillarbeit zu unterstützen, der Theo ließ das geliebte Volleyballspiel fahren, nur um seinen sandigen Sportsfreunden die Gourmetteller zu füllen.
Es wurden Salate, Kuchen und Grillkäse mitgebracht, Kaffee wurde gereicht neben köstlichen Säften und erfrischendem Wasser. So wurden die Spieler also abgefüllt, Knut hat derart zugelangt, daß er danach bei jedem Schritt Ringe in den Wassergläsern der Spieler und Zuschauer produzierte (wie im Jurassic Park) und obwohl seine Mannschaft vor dem Essen mit großem Vorsprung Gruppenerster war, brachte er im letzten Gruppenspiel seine Retourbälle meist nur unten drüber, den Schiris wurde schon schwindelig, die Zuschauer buhten und der erste Platz ging flöten. Sonja würdigte ihrem Teamkameraden keines Blickes und Matthias grub ihn erst mal auf Platz eins 3 Meter tief ein, wie man das auch auf Bali mit Hängebauchschweinen macht, bis sie gar sind. Nach einigen Stunden war auch Knut braungebrannt wieder ausgegraben worden, er guckte aber etwas verwirrt. War das nicht schon immer so?
Apropos sengende Sonne: mangels ausreichender Sonnencreme oder anderen Sonnenschutzvorbereitungen gab es diverse verbrannte Nasen, die von Max und Til leuchteten schon – das war später im Dunkeln richtig auffällig. Paul konnte sich an Mats Kopf eine Zigarette anzünden, Yannik und Paolo wurden schon für afrikanische Bootflüchtlinge gehalten und von mitleidigen Mädels gefüttert.
Nachdem endlich alle Teams ihre Spiele absolviert hatten gab es auch noch ein Endspiel zwischen den Siegern von Gruppe A und B und diese Supermannschaften prallten aufeinander daß die Erde bebte, die Bäuche der Zuschauer zitterten und die umstehenden Bäume ihr Laub verloren. Alex war kaum zu bändigen, er sprang mit seinen geschätzten einmeterachtundsechzig mehrmals über das Netz ohne es zu berühren, Uschi wirbelte zu den Bällen, daß Ihre silbernen Haare in sämtliche Richtungen stoben, der Sand dampfte, der Staub verdrängte die Sicht, keiner konnte mehr was sehen und so blieb der Spielausgang vielen ein Geheimnis. Sonja suchte nun wieder Bernds Schlüsselbund, Bernd suchte hinter Sonja her und Knud fragte, was sie denn überhaupt suchen.
Der Eklat kam nun unvorbereitet, traf alle in seiner vollen Härte und ließ viele mit hängenden Köpfen in die schöne Umgebung stieren. Der wertvolle, der glänzende, das Objekt der Begierde, der Ahrensburger Bietschkuddlmuddlwanderpokal war nicht da! Niemand erinnerte, wer ihn denn im letzten Jahr gewonnen hatte, an sein Herz gedrückt hatte, mit nach Hause nahm und ihn stolz als einzigen Pokal in einer Vitrine stehen hat. Es war nicht mehr nachvollziehbar wer dieser Egoist ist, der den Bietschkuddlmuddlsiegern 2017 dieses Kleinod von künstlerischer Hand bemalt nun nicht mehr hergeben will. Welch eine Schmach!
Das Wetter blieb trotzdem schön, die ersten Herren, die sich schämten, bei dem Bietschkuddlmuddl teilzunehmen, schlichen auf Platz eins, wo sie natürlich die Performance der vorangegangenen Spiele weder vom Stil noch von der Ästethik her bei weitem nicht erreichten, obwohl sie sich viel Mühe gaben und ihre Fähnchen-Bizeps in die Winde hängten.
Lulu, Luisa, Astrid, Hanna, Sonja und Fiona nahmen noch die Eindrücke der geballten oberkörperfreien Mannsbilder mit den geölten Muskeln im Gedanken mit nach Hause, Bernd fand beim Ausgraben noch einen Ring aus einem Kaugummiautomaten, eine gebrauchte ATSV Sporthose und ein unbenutztes Papiertaschentuch. Keinen Ahrensburger Bietschkuddlmuddlwanderpokal!
Sonja fand zum Schluss Bernds Schlüsselbund.
Alle gingen glücklich nach Hause.
Wo ist bloß der Ahrensburger Bietschkuddlmuddlwanderpokal?