Noch war es ruhig am Freitagvormittag auf dem Zeltplatz am Leuchtturm auf Poel.
Noch.
Dann kamen die ersten Fliegen, dann das Geknatter alter Autos von jungen kräftigen Männern gesteuert und irgendwann sah man dann auch schon die Karawane – von Staubwolken umweht – die nach vielen Irrwegen endlich die Auffahrt zum Campingplatzt gefunden hat.
Ratlos standen Sie dann vor den vielen Stangen und Zeltplanen. Nur ein liebliches Mädel, die direkt aus dem Hammerfilm Dr. Schiwago gestiegen war, führte den Jungmännern die Hand. Lara hatte schon in Ahrensburg den Kombi bis unter die Motorhaube durchgeplant, sodass mehrere Tonnen Gerätschaften, Getränke und Lebensmittel ihren Platz fanden, da war es für sie ein Leichtes, den Nun-mal-nicht-Pfadfindern den Weg zu weisen, wie sie ohne größere Verletzungen das antike Gemeinschaftszelt aufbauen sollten.
Die Jungs gehorchten ihr auf Wort.
Auch ohne Peitsche!
Langsam zuckelten dann auch die Nachzügler an. Gemächlich wurde erstmal der erste Biervorrat von Matthias und seinen Sklaven angezapft während die weibliche Jugend nicht nur ihr eigenes Zelt innerhalb von drei Minuten aufgebaut hatte, nein, sie drängten sich sofort auf, auch das Zelt von Ahmad mit aufzubauen, was ihnen mit entsprechend liebem Augenaufschlag gedankt wurde.
Die Suppen waren tiefgefroren und damit sie nicht so schnell auftauten, wurden sie auch in einem Block gelagert.
Hajo war der Verkehrspolizist, der den Kolonnen den Weg wies, sodass allmählich viele Autos kreuz und quer standen und keiner mehr so richtig aus dem Gewusel herausfinden konnte. Da kam dann die Stunde des Filius: Der hochintelligente Ruven behielt als einiger den Überblick und führte seinem Vater die Winkehand, damit sich einer nach dem anderen Wagen aus dem Gewusel entknoten konnte und auf den zugewiesenen Parkplatz rollte.
Ohne Lara, Frieda, Luisa, Helen, Hanna und Fiona hätte es noch Wochen gedauert, bis die Zeltstadt gestanden hätte, so war es aber innerhalb von kürzester Zeit geschafft und der gemütliche Teil begann.
Die meisten Wahnsinnsleute hatten es leichter, die hatten meist Matratzen im Auto mit Bettwäsche mit Sandmännchen drauf, da war nicht viel aufzubauen.
Die Tische wurden gedeckt, die tiefen Teller, Schalen und Löffel bereit gelegt, da fiel es dem Organisationsteam ein, daß ja auch noch die Suppen heiß gemacht werden sollten.
Die Elektrik war gerade mal für einen Einplattenkochherd vorhanden, der dann auch mit einem großen Topf mit Suppeneisplatten von ca. -25°C befüllt wurde. Etwa 20 in Elektrotechnik bewanderte Volleyballermänner suchten daraufhin eine zweite Steckdose, Kabel und auch noch einen zweiten Elektroplattenkochherd zusammen, damit auch die vereiste Hackfleischlauchsuppe in einen großen Topf drapiert werden konnte. Gerührt werden konnte noch nicht, denn es gäbe nur ein blechernes Scheppern, wenn die Eisplatten in den Töpfen bewegt wurden, was man aber draußen nicht hören konnte, weil dort diverse Mägen schon am Knurren waren.
Das verzweifelte Rühren in den Riesentöpfen wurde tapfer von Anni und Sylvana durchgeführt und irgendwann kurz vor Mitternacht war zumindest die Tomatensuppe schon fertig. Hajo nahm sich auch schon von der Hackfleischlauchsuppe und lutschte tapfer an den Eisklumpen in der Mitte seines Tellers.
Matthias erzählte den älteren Semestern, also auch Tommy, wie seine Reise nach Schottland war und welche Whiskysorten er so auf seinem Weg getroffen hatte. Andächtig lauschten neben Tommy auch Goldi und Dietrich und die Bemusterungen aus großen und kleinen Flaschen schien endlos, die Worte der Hauptdarsteller wurden immer schwieriger zu verstehen und irgendwann in der Dunkelheit wurden die Tester des braunen Goldes auch in Ihre Zelte getragen.
Währenddessen wurde die einbrechende Kälte durch Aktivitäten der jüngeren Semester mit vielen halbgefüllten Bierbechern und einem Pingpongball weitergeführt und einem interessierter Zeltnachbarn aus Chemnitz wurde dann auch eingehend erklärt, warum beim Werfen des Tischtennisballes der Lärmpegel ansteigt. Ihm wurde kein Bier angeboten, so zottelte er wieder in sein Zelt, um seiner Frau (die ihn geschickt hatte) zu berichten warum die netten jungen Leute manchmal etwas lauter lachten.
Bevor der Nachtfrost einsetzte waren alle endlich eingeschlafen.
Samstagmorgen sah man dunkle Augenringe, blasse Gesichter und die Worte kamen nur quälend von den trockenen Lippen. Linus verirrte sich im Damenwaschsalon, was aber gar nicht so sehr auffiel und Til suchte nackig in der Duschkabine sein einziges Eurostück. Nach zwei Stunden tauchte er aber auch wieder auf.
Matthias wurde gar nicht gesehen am Sonnabend.
Endlich brach die mit Stangen, Netzen und Bällen bewaffnete Horde auf, den Stand zu erobern. Die Claims wurden abgesteckt und Dein Berater für religiöse Angelegenheiten erklärte geduldig den Badeästen, die da lagen, wo die Ahrensburger spielen wollten, was auf sie zukäme, wenn sie nicht woanders hinziehen würden. In der Hoffnung, daß Matthias noch Whiskyreste hatte, zogen die braun gebrannten Kurtaxezahler von dannen bis auf ein Pärchen, die sehr interessiert waren den Gesprächen und Rufen der Turnierteilnehmer zu lauschen. Da sie sich ansonsten sittlich benahmen – sie kamen aus der Ostzone, aus dem Havelland – wurden sie auch geduldet, trotzdem sie keinen Kasten Bier ausgeben wollten.
Die ersten Herren Mannschaftsmitglieder waren gesetzt und so wurden je zwei Spieler diesen Heroen zugeteilt und schon ging die Schmetterarie los. Thore wurde einmal kurz komplett eingegraben von einem wohlbeleibteren Mitspieler, der aus Versehen auf ihn drauffiel, aber Anni zog ihn noch rechtzeitig wieder aus dem Sand bevor er bis China durchgesackt wäre. Das Gejohle der Zuschauer war laut, die wenigen Sandfliegen verschwanden schnell, Schweiß spritze in alle Richtungen, Nico musste am Netz nicht springen, weil er manchmal mit dem Kinn über das Netz schauen konnte und Til konnte selbst beim Hocken noch über das Netz schmettern. Paul machte Salto über das Netz. Max und Eugen waren als Sieger gesetzt, die doppelten Rittberger Einlagen von Eugen warten beeindruckend.
Die durchweg unparteiischen Schiedsrichter waren häufig abgelenkt durch Zuschauerinnen, wenn Linus Schiri war, dann ließ er sich immer von seinen Groupies erzählen, wer gerade einen Punkt ergattert hatte. Die führten ihm dann auch die Hand am Anzeigebrett.
Wie das bei Turnieren häufiger mal vorkommt, gab es auch ein Finale. Dazu fanden sich auch nur noch vier Spieler bereit: Eugen und Max, die als Sieger ja schon gesetzt waren und Lasse und noch einer, der im Gewusel um die Schiedsrichterbestechungen aber völlig unterging. Tommy erinnert sich auch nicht mehr….
Auf jeden Fall gab es dann eine große Überraschung, denn Lasse und sein weitaus besserer Mitspieler gewannen den diesjährigen Poel Wanderpokal: sie durften dafür am Abend abwaschen.
Nun war das Gedränge groß. Jeder wollte sich noch mal frisch machen, Nico, Kai und Tim teilten sich eine Duschkabine, aber keiner hatte ein Eurostück. Linus ließ sich noch mal erklären, welches die Herrendusche ist, aber er passte nicht mehr in die Einzelduschkabine, in der schon drei drin waren.
Endlich wurde es feierlich: Hajo war der Herr über das Grillfeuer, er wurde der Meister der Dämpfe, der Bestimmer der Gerüche. Endlich wurde er angehimmelt, damit er endlich mal eines seiner Würstchen herausrückte, damit er auch bitteschön mal ein Stück Fleisch abgab. Er war der Herrscher der Bräunungsgrade, Magier der schwarzen Streifen auf den Stückchen, die früher mal zu einer Kuh oder zu einem Schwein gehörten.
Es wurde geschwelgt , die Gourmet Salate wurden gelobt in höchsten Tönen, es war mal wieder Sodom und Gomorra, bei dem Lärmpegel verstand kaum einer den anderen.
Dann endlich der große Auftritt unseres Troubadix, dem Chris. Er holte Gitarre und ein Zauberkästchen heraus, das gab in winzig kleiner Schrift den Text eines Liedes wieder und Chris sang zum Herzerweichen.
Damit nicht alle Frauen immer nur auch Chris schmelzende Blicke warfen, gesellten sich nach und nach auch Herbert, Hajo und Knut zu Chris, bildeten ein gar göttliches Quartett und die ersten BHs wurden auf die imaginäre Bühne geworfen. Der absolute Höhepunkt wurde dann vorgetragen:
„Nights in white satin“
Moody Blues hätten Tränen geweint, wenn sie hier hätten zuhören dürfen, so gut wurde ihr Hit noch nie interpretiert. Die Mädchen flippten aus, den Frauen wurden die Knie weich, Deinem Berater für religiöse Angelegenheiten flog ein Schlüpper ins Gesicht. Dies war die Geburtsstunde der „Rolling Bones of Poel“.
Weit nach Mitternacht wurde immer noch der Refrain gesummt „…never reaching the end“ und glücklich und zufrieden krochen allmählich alle Volleyballerinen in ihre Schlafstätten und die Volley Ballermänner torkelten auch langsam in die Autos und Zelte.
Am Sonntag gab es etwas später Frühstück, Matthias fragte, wann denn das Turnier anfängt und fleißige Schüler und Studenten packten dann schon ihre sieben Sachen, denn sie mussten ja zu Hause noch lernen. Die Zelte wurden unter Anleitung der Mädels zusammengefaltet und Lara befehligte Ihre Hilfskräfte, was wo in dem Sprinter verstaut werden soll.
Alkoholreste und sonstige Essensvorräte, die nicht vernichtet wurden, sind verteilt worden und Alkoholreste wie Jim Beam und Konsorten wurden an die unter 18 jährigen aufgeteilt.
Die Ballverliebten trotteten dann nochmals an den Strand und es entwickelten sich noch einige tolle Spiele, die der starke Wind zusätzlich interessant machte.
Die Organisation dieses weekends wurde von den ersten Herren durchgeführt, Durchschnittsalter so 20 bis 21 Jahre. Leiter der Aktion war Max. Evi als einzig richtige Erwachsene (und Volley Vorstandsmitglied) und Dein Berater für religiöse Angelegenheiten haben Max und seiner Gruppe herzlich für die tolle Organisation gedankt, für das gute Wetter, für die immer positive Stimmung und für die sauguten Spiele.
Ehrlich: dies war mein bisher schönstes Poel Wochenende!
Knut