Mein Verein ... ist der größte im Kreis

BildSerie: Jeden Sonnabend stellen wir einen Verein und dessen Mitglieder vor. Heute: Der Ahrensburger Turn- und Sportverein.

Von Antonia Thiele

Auf dem Sportplatz hinter der Geschäftsstelle am Reeshoop haben sich Sportler und Trainer verschiedener Sparten des ATSV für das Abendblatt-Foto versammelt

Stormarn. Im Jahr 1923 kostete die Mitgliedschaft im Ahrensburger Turn- und Sportverein 3000 Mark pro Monat. Bis die Geldentwertung während der zwanziger Jahre den Preis hochtrieb, hatte der Verein schon mehr als 30 Jahre lang große und kleine Talente hervorgebracht. 1874 wurde der ATSV gegründet, heute ist er mit 4107 Mitgliedern nicht nur der größte Sportverein in Stormarn. In Schleswig-Holstein gibt es nur vier Klubs, die mehr Mitglieder zählen.

Erfolg: Die Tanzsparte hat sich auf rund 500 Mitglieder vergrößert

25 Abteilungen hat der ATSV, die Sparte Tanzen ist mit rund 500 Mitgliedern die größte. Der Vereinsvorsitzende Klaus Guttenberger erinnert sich genau an die Anfänge des Tanzsportes 1976. „Damals gingen Eltern auf einmal scharenweise zum Tanzen. Das war eine bundesweite Bewegung: Eltern nehmen sich frei von der Familie, um etwas für sich zu tun“, sagt Guttenberger.

Anfangs trainierten die 20 Paare im Gemeindesaal, dann in einer Firmenkantine. „Wir haben uns auch mal in einer Scheune getroffen“, sagt Guttenberger, und meint damit die „Tanzscheune am Schloss“ - selbst eingerichtete Räume hinter dem Marstall. Innerhalb weniger Jahre wuchs die Abteilung auf mehrere Hundert Mitglieder. 1986 konnten sie ihr Tanzhaus am Reeshoop beziehen, an dessen Bau viele der Tänzer selbst mitgewirkt hatten.

In den vergangenen zwei Jahren konnte der Verein rund 70 neue Mitglieder für die Tanzsparte gewinnen. „Diejenigen, die zu uns kommen, die bleiben auch“, sagt Michaela Appelhoff, die seit 2009 Leiterin der Abteilung ist. Seitdem bietet der Verein auch Ballett für Kinder ab drei Jahren an. „Das ist ein Riesenerfolg“, sagt Appelhoff.

Bis zu 80 Jungen und Mädchen trainieren die Tanzpädagogen jeden Nachmittag im Tanzhaus in Ballett und tänzerischer Früherziehung, aber auch in Hip-Hop und Videoclip-Dancing. „Für diese modernen Angebote melden sich immer mehr Kinder und Jugendliche an“, berichtet Michaela Appelhoff.

Aktuelles: Der Verein erweitert sein Angebot um Trendsportarten

„Der Verein entwickelt sich an den Bedürfnissen der Sportler weiter“, erläutert der Vorsitzende Klaus Guttenberger. „Natürlich bieten wir die Traditionssportarten wie Fußball und Leichtathletik an, aber wir konzentrieren uns verstärkt auf moderne Sportarten.“ Sein Stellvertreter Wulf Krickhahn bringt es auf den Punkt: „Würden wir kein Zumba anbieten, könnten wir gleich dichtmachen.“ Die Mischung aus Tanz und Fitness sei sehr gefragt. Auch die Inlineskating-Abteilung sei ein „Riesenerfolg“.

Erst vor zwei Jahren gründeten einige „Idealisten“, wie Abteilungsleiter Rüdiger Kahl sagt, die Inlineskating-Sparte. „Inzwischen sind wir mehr als 100 Leute, die jüngsten sind sechs Jahre alt, die ältesten über 70.“ Im Sommer liefen die Skater draußen Strecken bis zu 30 Kilometer, sagt Kahls Frau Maren. Die Speed-Gruppe sei mit Geschwindigkeiten von bis zu 60 Kilometer pro Stunde unterwegs.

Die Speedskater stellen derzeit fünf Landesmeister im Halbmarathon und nahmen unlängst auch an der Weltmeisterschaft im Ostseebad Damp teil.

Probleme: Die Hallenzeiten werden wegen der Ganztagsschule knapp

Im Winter weichen die Inlineskater zum Trainieren auf die Sporthalle des Schulzentrums Am Heimgarten aus. Bisher muss der Verein der Stadt keine Gebühren für die Nutzung zahlen. Krickhahn: „Dafür sind wir sehr dankbar, denn unsere Aufgabe ist es schließlich, Sport für alle bezahlbar zu machen.“ Problematisch ist die Hallensituation für den ATSV dennoch. „Durch die Ganztagsschule gibt es immer weniger freie Zeiten, in denen wir in die Hallen können. Außerdem bleiben die Kinder weg, weil sie Unterricht haben“, sagt Guttenberger, und fügt hinzu: „So spielen Gegenwartsprobleme in einen traditionellen Verein hinein.“

Zu den Angeboten, mit denen sich der ATSV an den Bedürfnissen seiner Mitglieder weiterentwickelt, zählt auch die Herzsportabteilung. 125 Mitglieder nutzen das von der Krankenkasse angebotene Reha-Angebot. Die Sportler werden je nach Herzleistung in unterschiedliche Gruppen aufgeteilt und bestreiten zum Teil unter Aufsicht eines Arztes ein Programm aus Aufwärmübungen, Gymnastik, Laufen und Spielen. Alles „sutsche“, wie Abteilungsleiter Edzard Tammena sagt. „Ganz wichtig ist uns, dass jeder sein eigenes Tempo hat und kein Leistungsdruck besteht.“ Die meisten fangen auf ärztliche Verordnung in der Herzsportgruppe an. „Viele bleiben aber auch freiwillig länger als die verordneten zwei Jahre bei uns“, sagt Tammena, der selbst seit 16 Jahren Mitglied der Herzsportgruppe ist. In diesem Jahr feiert die Herzsportgruppe ihr 25-jähriges Bestehen.

Engagement: Gewaltprävention und Städtepartnerschaft

Eine vergleichsweise junge Abteilung ist die Box-Sparte. „Seit gut zwei Jahren bieten wir ein Boxtraining an. Wir wollen damit gegen Mobbing und Gewalt wirken“, sagt Guttenberger. 20 bis 30 Jugendliche im Alter von zehn bis 17 Jahren trainieren bei den ehemaligen Wettkampfboxern Oliver Hausen und Nicole Grothe. Ursprünglich sei das von der Stadt geförderte Training nur für Jugendliche gedacht gewesen, sagt Hausen. Doch dann hätten auch Erwachsene Interesse gezeigt. Ziel sei es, den Jugendlichen einen Sinn in ihrer Freizeitgestaltung zu geben. „Nach dem harten Training sind sie ausgeglichener“, sagt Hausen. „Und solange sie hier sind, lungern sie wenigstens nicht auf der Straße herum.“

Der ATSV engagiert sich zudem in der Ahrensburger Arbeitsgruppe „Sicherheit für junge Menschen - gemeinsam gegen Gewalt“. Krickhahn sagt: „Wir geben uns große Mühe, in der Stadt präsent zu sein.“

Präsent ist der Verein vielen Ahrensburgern schon durch die Trainingseinheiten auf dem Stormarnplatz. Seit 1926 werden hier Fußballtraining und Turniere ausgetragen. Die Fußballabteilung wurde im August 1945 gegründet, beim ersten organisierten Spiel traten die Ahrensburger gegen britische Besatzungssoldaten an.

Heute tragen die Jugendmannschaften alle zwei Jahre ein Turnier gegen Fußballer aus der Partnerstadt Viljandi auf dem Stormarnplatz aus. Auch in diesem Sommer reisten 20 Gäste aus Estland an. „Die Jugendlichen wohnen in unserem Vereinshaus und wir besuchen gemeinsam das HSV-Stadion und grillen“, sagt Kai Seehase, der den Austausch organisiert und so dafür gesorgt hat, dass eine Freundschaft zwischen den Vereinen entstanden ist.

Sportler: Die Basketballerinnen sind deutscher Vizemeister

Die beste Leistung verzeichneten in der vergangenen Saison die Basketballerinnen des Vereins. Die U15-Mädchen wurden deutsche Vizemeister - der größte Erfolg der Jugendabteilung seit 35 Jahren. Im Halbfinale hatten sich die Basketballerinnen mit 65:56 gegen den TSV Nördlingen durchgesetzt. Die U17-Mannschaft spielt zudem seit Oktober in der Jugend-Bundesliga.

„Uns geht es aber eigentlich nicht um Leistung, im Gegenteil: der ATSV bietet persönliche Identität, jeder gehört dazu“, sagt Krickhahn. Das schlimmste, was passieren könne, sei es, wenn eine Mannschaft auseinander breche. Krickhahn: „Das ist ein Drama.“

Der Zusammenhalt soll auch durch das Zeltlager auf Sylt gefördert werden, das der ATSV seit 1957 anbietet. Heute bezuschusst das Jugendferienwerk des Kreises Stormarn sozial benachteiligte Kinder, um ihnen die Teilnahme zu ermöglichen. Guttenberger sagt: „Das ist unser Ziel: Wir wollen, dass Sport für jeden zugänglich ist. Das soll nicht am Geld scheitern.“ Und so kostet der Mitgliedsbeitrag für den ATSV heute, 138 Jahre nach dessen Gründung, wieder nur noch elf Euro im Monat.

Quelle: Hamburger Abendblatt, Regionalausgabe Stormarn, vom 1. Dezember 2012

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