"Trainer, das ist kein Fußball"

 Wenn in Handballtrainer Christian Haude (M.) wieder der Fußballer durchkommt, erntet er schon mal mitleidige Blicke von den Spielerinnen Anne Sibrins (v. l.), seiner Schwester Elisabeth Haude, Franziska Heidtmann, Nina Jargstorf, Mareike Hinsch, Katja Rönne und Monika Klar   Foto: Henrik Bagdassarian
Wenn in Handballtrainer Christian Haude (M.) wieder der Fußballer durchkommt, erntet er schon mal mitleidige Blicke von den Spielerinnen Anne Sibrins (v. l.), seiner Schwester Elisabeth Haude, Franziska Heidtmann, Nina Jargstorf, Mareike Hinsch, Katja Rönne und Monika Klar Foto: Henrik Bagdassarian

Fußballtrainer Christian Haude übernahm als Handball-Laie die zweite Frauenmannschaft des Ahrensburger TSV. Das Team hatte sofort Erfolg, spielte um den Titel mit. Wie kann das funktionieren?

Von Arne Bachmann

Ahrensburg. Alles begann mit einer flapsigen Bemerkung. Und irgendwann, sagt Christian Haude, sei er aus der Nummer einfach nicht mehr herausgekommen. Plötzlich häuften sich die Handball-Lehrbücher auf seinem Schreibtisch und aus einem kleinen Scherz wurde eine große Herausforderung. Haude, eigentlich Fußballtrainer der Frauenmannschaft des Ahrensburger TSV, ist jetzt auch Handballcoach. Als Quereinsteiger, der anfangs überhaupt keine Ahnung von der Sportart hatte.

Die meisten Regeln hat sich der 35-Jährige nach rund einem Jahr als Übungsleiter bei der zweiten Damenmannschaft des ATSV nach und nach angeeignet. Verbal aber ist er noch nicht ganz angekommen im Handballsport. Das Potpourri seiner sprachlichen Blutgrätschen, nein, Griffe in den Wurfarm, ist groß: Von "Freistoß" ist oft die Rede, oder von "Eckball", sogar der Begriff "Abseits" soll schon gefallen sein. Vor den Spielen ruft er dem Team schon mal zu: "Geht auf den Acker und habt Spaß!" "Aber dass es für einen Sieg nur zwei statt drei Punkte gibt, habe ich inzwischen kapiert", sagt Haude und grinst.

Der in Ahrensburg wohnhafte Autoverkäufer, der 2003 die erste Frauenfußballmannschaft des ATSV ins Leben rief, ist selbstreflektiert genug, um keinen Hehl daraus zu machen, dass er es fachlich mit den wenigsten Handballtrainern aufnehmen kann. Abgesehen davon gibt ihm der Erfolg recht. In der Bezirksliga gewannen die Stormarnerinnen gleich die ersten vier Partien unter ihrem neuen Coach und spielten lange um den Meistertitel mit. Am Ende reichte es dann zu Platz zwei ? wie im Vorjahr unter Vorgänger Carsten Meyer. "Das könnte ich auch", sagte Haude damals einmal, als er ein Spiel des ATSV mit Meyer an der Seitenlinie sah. Auch wenn das ein Scherz war: Er stand zu seinem Wort, als Meyer aufhörte.

Doch wie kann das alles überhaupt funktionieren? Ein Besuch beim Training, Heimgartenhalle, 20.30 Uhr: Haude lässt eine Mischung aus Pass- und Wurfübung trainieren. Für die Spielerinnen ist das offensichtlich neu, es braucht seine Zeit, bis alle verstanden haben, wo sie den Ball hinwerfen sollen. Wer aber gelegentlich bei Trainingseinheiten von Fußballteams zusieht, kennt diesen Ablauf: Haude hat schlichtweg die Methoden aus dem Fußballtraining in den Handballsport übertragen. "Es sind oft die gleichen Übungen, nur eben mit der Hand", sagt er.

Den Spielerinnen ist nicht aufgefallen, dass sie ein verkapptes Fußballtraining durchlaufen. Vielmehr freuten sie sich über die Abwechslung ? und sind heute restlos überzeugt von den Qualitäten ihres Trainers. Nina Jargstorf, 32, sagt etwa: "Ich spiele seit 22 Jahren Handball und hatte noch nie einen Trainer, der so gut motivieren kann." Die stets positive Ansprache des Trainers hat das Team wohl schon manch verloren geglaubtes Spiel noch drehen lassen. Mareike Hinsch, gemeinsam mit Haudes älterer Schwester Elisabeth Kapitänin, sagt: "Er bringt viel gute Laune in die Mannschaft."

Einmal aber übertrieb es der Vater einer vierjährigen Tochter mit dem Loben ? oder suchte sich zumindest den falschen Zeitpunkt aus. Gleich beim ersten Saisonspiel war das, gegen den THB Hamburg. Begeistert von einer Aufholjagd seiner Schützlinge nahm Haude drei Sekunden vor dem Spielende noch eine Auszeit, nur, um das Team zu beglückwünschen. Eine Aktion, die der gegnerische Coach als Affront auffasste. "Mir war nicht bewusst, dass sich das nicht gehört", sagt Haude. "Vor dem Rückspiel haben wir aber darüber gelacht."

Dass es sich bei der zweiten Mannschaft des ATSV um ein Hobbyteam handelt, bei dem der Spaß über dem Erfolg steht, hat Haude die Eingewöhnung freilich leicht gemacht. "Die Mannschaft hat mir am Anfang viel abgenommen und geholfen", sagt er. Dennoch: Die guten Leistungen sind zu einem großen Teil der Verdienst des Trainers, der sein Handwerk beherrscht. In der Saisonvorbereitung verzichtete er auf normales Handballtraining. Beachvolleyball und Aquacycling ersetzten trockene Theorie und Zirkeltraining. "Das hat viel für den Teamgeist gebracht", sagt Spielerin Anne Sibrins.

Der Personalmangel im Team führt immer mal wieder zu Überlegungen, die zweite mit der dritten Mannschaft zusammenzulegen. "Dann würde ich mich natürlich nicht an das Traineramt klammern", sagt Haude. Sollte es irgendwann dazu kommen, dass er durch einen Übungsleiter vom Fach ersetzt wird, müsste sich allerdings manche Spielerin schnell wieder umgewöhnen, um nicht peinlich aufzufallen. Denn in der Mannschaft ertappen sie sich immer häufiger dabei, von einer "Torauslinie" oder dem "Elfmeterpunkt" zu sprechen.

Die Mannschaft sucht noch Mitspielerinnen. Interessierte können sich bei Christian Haude unter der Handynummer 0171/4177418 oder per E-Mail an ahrensburgertsv@gmx.de melden.

 

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